Deutsche Spuren
Kopernikus im Gespräch mit Gott. Von Jan Matejko (1872)
221 x 315 cm. Museum der Jagellonski-Universität, Kraków
Erste deutsche Spuren in Włocławek sind mit den Stadtrechten nach Kulmer Recht und der Nachbarschaft mit dem Deutschen Orden nachweisbar.
Eine sehr wichtige Persönlichkeit, die die deutsche und polnische Kultur verbindet, kann mit Włocławek assoziiert werden. Nikolaus Kopernikus wohnte in den Jahren 1488-91 in Vladislavia. Er wurde hier von seinem Onkel, Lukas Watzenrode, in die Kathedralschule in der Nähe des Maria-Himmelfahrt-Dom geschickt. Diese Schule hatte einen guten Ruf, hier ging z.B. eine mächtige deutsche Familie aus Danzig mit Namen Farber zur Schule.
In Włoclawek finden sich verschiedene Werke deutscher Künstler, u. a. eine Epitaphplatte (1493) von Veit Stoss oder ein Candelabrum (1596) von Hans Meyer im Maria-Himmelfahrt-Dom, Skizzen von Albrecht Altdorfer und Kupferstiche von Heinrich Aldegrever in den Kunstsammlungen im Museum des Kujawier und Dobriner Landes. Sehenswert sind auch Holzschnitte des bekannten deutschen Künstlers Albrecht Dürer und die Kunstwerke vom Augsburger Arbeitsraum im Diözesanmuseum.
Über Jahrhunderte waren für die Kaufleute aus Włoclawek die Kontakte mit den Hansestädten, besonders mit Thorn und Danzig, sehr wichtig. Bis heute kann man einige Getreidespeicher bewundern, darunter sogar ein hölzerner, sogenannter „Schwarzer Speicher“.
Im 19. Jahrhundert wurde Włocławek zur Industriestadt, weil hier mittlerweile viele berühmte Unternehmen (auch dank der jüdischen, russischen und deutschen Gemeinde) gegründet worden waren. Hier entstand z.B. die erste Papier- und Cellulosefabrik auf polnischem Gebiet (gegründet 1799 von Gotfryd Gross, später von der Familie Steinhagen). Bekannteste Unternehmen des 19. Jahrhunderts waren die Zichorienfabrik von Ferdinand Bohm, die Cellulosefabrik der Brüder Cassierer (Max Cassierer, später in Berlin), 14 (!) Brauereien, eine Ziegelei, eine Fabrik für Agrarmaschinen (Wilhelm Haack, später auch Hugo Mühsam), der Draht- und Seilproduzent Carl Klauke oder die Manufaktur für Fayencen, Porzellan und Keramik (die bekannteste ist die von Teichfeld & Asterblum, jetzt Einkaufszentrum Wzorcownia, zu deutsch „Musterraum“).
In dieser Zeit erblickten einige bekannte Persönlichkeiten in Wloclawek das Licht der Welt: Tadeus Reichstein (1897–1996), Schweizer Biochemiker und Nobelpreisträger (er isolierte die Hormone der Nebennierenrinde, erforschte die Struktur von Aldosteron, erkannte die Wirksamkeit des Cortisons und ermöglichte durch Synthese die industrielle Produktion des Vitamin C), Julian Balthasar Marchlewski (1866–1925), Politiker und Mitbegründer des Spartakusbundes (Vereinigung von Sozialisten in Deutschland, die sich während des Ersten Weltkriegs eine internationale Revolution als Ziel stellten) oder Marie Steiner-von Sivers (1867–1948), eine russisch-deutsche Anthroposophin und Schauspielerin.
In diesem Zeitraum wurde die evangelische (lutherische) Gemeinde immer größer. Am Ende des 18. Jahrhunderts hatte die evangelische Gemeinde eine kleine hölzerne Kirche vom Beginn des 17. Jahrhunderts von den Katholiken bekommen. Der erste Pfarrer war Adolf Theodor Julius Ludwig. Im Jahre 1881 wurde eine neogotische Kirche nach dem Entwurf von Franciszek Tournelle erbaut. Möglich wurde dies durch die finanzielle Unterstützung durch Fryderyk Wilhelm Cords. Die Initiative für den Neubau ging von Pfarrer Rudolf Zirkwitz aus. Zur Gemeinde gehörten einige der bedeutendsten Unternehmer der Stadt, oft waren sie deutscher Herkunft: Wilhelm Haack, Hugo Mühsam oder Bürgermeister Ludwig Bauer. Es gibt noch viele deutsche Grabmale im evangelischen Teil des städtischen Friedhofs (Zentralfriedhof, poln. Cmentarz Komunalny) in Włocławek. Außerdem gibt es in diesem Friedhof auch ein Denkmal aus dem Jahr 1915 für die deutschen Soldaten, die während des I. Weltkrieges gefallen sind. Die Nazis haben diesen Denkmal im Propaganda während des II Weltkriegs benutzt.
Im Jahre 1920 ist eine der wichtigsten Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens in Deutschland in Włocławek geboren worden, Marcel Reich-Ranicki. Der bekannte Publizist und Literaturkritiker wurde als drittes Kind des Fabrikbesitzers David Reich und dessen Frau Helene Auerbach geboren. Er wuchs in einer assimilierten jüdischen deutsch-polnischen Familie auf. 1928 musste der Vater den Bankrott anmelden. Marcel Reich durfte als einziger seiner Geschwister die deutsche Schule in Włocławek besuchen. Vom 25. März 1988 bis zum 14. Dezember 2001 leitete Reich-Ranicki die kontroverse Sendung „Das Literarische Quartett“ im ZDF mit einem großen Publikum. In Fachkreisen war er als „Literaturpapst“ bekannt und gilt als der einflussreichste deutschsprachige Literaturkritiker der Gegenwart. Reich-Ranicki wurde auch über die Literaturszene hinaus populär. So kennt nach einer Umfrage 98 Prozent der deutschen Bevölkerung seinen Namen. Er erhielt viele Auszeichnungen: den Europäischen Kulturpreis, Ehrendoktorwürden z.B. der Freien Universität Berlin, der Universität Tel Aviv, der Humboldt-Universität Berlin oder Goldene Berliner Bär. Er ist Namenspatron des Lehrstuhls für deutsche Literatur der Universität Tel Aviv. Er hat oft in den Interviews betont, dass er wieder in Polen am liebsten Włocławek ansehen möchte.
In den Jahren 1939-45 war der offizielle Name der Stadt Leslau an der Weichsel. Die Stadt gehörte zum Reichsgau Wartheland im Deutschen Reich. Es wurde eine große Aktion „Heim ins Reich“ organisiert, in Leslau kamen in der Folge viele deutsche Aussiedler, hauptsächlich aus Bessarabien (Moldawien) und Riga (Latvia) an. In dieser Zeit sind in der Stadt viele bekannte Personen geboren oder haben hier gewohnt. Man sollte in diesem Zusammenhang über Jürgen Knobloch (Professor für Mikrobiologie und Tropenmedizin, Direktor am Institut für Tropenmedizin des Universitätsklinikums Tübingen,Vorsitzender der Gesellschaft für Tropenmedizin und Internationale Gesundheit), Günther Bott (Jurist und Richter am Bundesarbeitsgericht), Paul Barz (Journalist und Schriftsteller), Christian Schafrik (Schlagersänger) oder Helga Olufs (Malerin) sprechen.
Heutzutage haben sich in Włocławek viele deutsche Firmen und Handelsketten niedergelassen.
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Die Autoren der Seiten "Unbekanntes Włocławek" :
Text: Amadeusz Majtka, Thomas Schön, Christopher Schön
Fotos: Amadeusz Majtka, Touristische Information in Włocławek, W. Balczewski, Diözesanmuseum
Stadtführer Amadeusz Majtka
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