Ein eigentümlicher Sprachgebrauch ist der Ausgangspunkt seiner Überlegungen: bei etwas Schönem sagt man: es ist schön. Allen Ernstes sagt man das, obwohl es nicht Erkenntnis ist. Dürfte man da nicht nur solche Aussagen machen wie beim Angenehmen, beim Essen? Mir schmeckt es oder nicht. Darüber kann man dann nicht streiten. Diese Urteile sind eindeutig subjektiv. Das ästhetische Urteil dagegen tritt, obwohl es kein objektives Erkenntnisurteil ist, mit dem Anspruch auf, allgemeingültig zu sein.
Kants philosophische Frage besteht darin, ob der Anspruch auf Allgemeingültigkeit zu Recht besteht. Er besteht zu Recht, weil der Horizont, in dem wir über Schönes urteilen, mehr ist, als nur unsere Privatansicht. Es ist das Eintreten eines Zustands, der uns nicht als Privatpersonen betrifft, sondern uns als Menschen überhaupt. Die Zustimmung, das Mitgehen, in das uns der Anblick des Schönen versetzt, das ist der Vollzug des Zusammenstimmens unserer Erkenntniskräfte. Es ist diejenige Situation, in der Freiheit nicht nur gefordert wird, sondern in der Welt zur Existenz gelangt. Freiheit nicht als Selbstbestimmung sondern als Gunst.
Die Lust an einer Naturschönheit, am Gesang eines Vogels, ist auch deswegen nicht nur ein subjektiver Gemütszustand, weil in dem Urteil über das Schöne von Kant nicht nur eine Übereinstimmung mit den Mitmenschen gesehen wird, sondern auch eine Übereinstimmung mit der Sache, und zwar keine nachträgliche Übereinstimmung: Die Kraft des Urteils, des Ist-Sagens, wird selber erst dadurch ermöglicht.

Wir weilen bei der Betrachtung des Schönen, weil diese Betrachtung sich selbst stärkt und reproduziert. Es ist ein Augenblick erfüllter Gegenwart, der die Kunst auszeichnet und der kann ein Maximum von Zeitkritik bedeuten. Die Interesselosigkeit an der Existenz des Gegenstandes ist die Kehrseite eines Bezuges, der das genaue Gegenteil von Gleichgültigkeit ist: Die Interesselosigkeit an der Existenz des Gegenstandes ist die Abkehr vom Interesse am Besitz. Schönheit ist als Schönes nur nahe, wenn man ihr nicht zu nahe kommt.