Die Kunst ist für Schelling nicht von solcher Art, daß sie durch Nachahmung entstehen kann. Und die Natur, die Wirklichkeit, ist nicht von solcher Beschaffenheit, daß sie überhaupt nachgeahmt werden könnte. Die Kunst muß damit beginnen, sich von den Geschöpfen der Natur zu entfernen, um sich zu der schaffenden Kraft zu erheben. Im Gedanken der Wirklichkeit als einer eigenen Kraft muß alles Festlegen in eine feste Gestalt allerdings als lebensfeindlicher Dogmatismus erscheinen. Schellings These dagegen: Die Form ist selber eine Art des Lebens. In ihrer genuinen Verfassung ist sie eine positive Kraft, als Bannung des Unheimlichen kann sie eine Befreiung von den das Leben bedrohenden Gefahren sein. Sie ist dazu in der Lage, weil sie in Wahrheit die Einheit zweier Faktoren ist, einer bewußten und einer bewußtlosen Kraft.

Es geht um den von den Kunsttheorien kaum beachteten Sachverhalt, daß das Hervorgehen von Kunst weniger ein  Machen als ein Antworten ist. Der griechische Mythos von den Musen zeugt davon ebenso wie  Hesiods “Theogonie”. In der bildenden-bauenden Interpretation des natürlich Vorgegebenen werden in der griechischen Dichtung Handlungs-Maßstäbe errichtet, denen geschichtlich-gesellschaftliche Verbindlichkeit zukommt. Die Verbindlichkeit der Kunst, die man bis zu Schelling nur in der wahren Mimesis sehen konnte, wird von Schelling nicht mehr in der Naturtreue gesucht, es geht ihm um eine geschichtliche Verbindlichkeit.