Dieter Jähnig
Dichtung und Geschichte
Beiträge Hölderlins zur Geschichtsphilosophie und zur Philosophie der Künste
hg. v. Dieter Rahn, Hildesheim Zürich New York : Georg Olms Verlag 2019

Zum Buch in Kürze:

Die Vorlesung von Dieter Jähnig ist von der Überzeugung getragen, daß Hölderlins Dichtung gerade als Dichtung die Philosophie angehen muß und daß ihr eigener Anspruch verfehlt wird, wenn sie nur als Gegenstand der Ästhetik Thema wird. Was dann übersehen wird, ist der ausdrückliche Bezug dieser Dichtung zur Geschichte. Anders als sein Studienfreund Hegel, der die Kunst weltgeschichtlich als "ein Vergangenes" ansah, verlangt Hölderlin von seiner Dichtung nach dem Abbruch des Empedokles-Dramas dezidiert, daß sie "unmittelbar das Vaterland angehn soll oder die Zeit". Dreh- und Angelpunkt dieser Wendung zur späten Lyrik ist ein neuartiges, durch die Sophokles-Übersetzungen eröffnetes Verständnis von Sprache. Die Sprache des Gedichts soll jetzt, in einem "Wechsel der Töne", das innere Gefüge des geschichtlichen Handelns präsent machen: als ein "Dreifach-Leben", das sich nicht in einer ständig dahinschwindenden Aktualität erschöpft, sondern kraft der Erinnerung an das einmal anders Gewesene das Mögliche als ein Kommendes realisiert. Dieter Jähnig zeigt, daß diese triadische Konstitution auch anderen Kunstwerken eigentümlich ist und den Anspruch rechtfertigt, Kunst als eine "Sprache" der Geschichte ernst zu nehmen. 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Gesammelte Aufsätze aus den Jahren 1967 - 2005

Dieter Jähnig
Die Zeit der Kunst und der Bau der Geschichte
Band 1: Die Geschichtsstruktur der Kunst
Band 2: Die Erde als Horizont der Geschichte
Hg. v. Dieter Rahn im Verlag Karl Alber : Freiburg 2023

Das Besondere der philosophischen Aufsätze von Dieter Jähnig liegt darin, die Kunst als Horizont der Auseinandersetzung mit der heutigen geschichtlichen Situation anzusehen. Dazu gehört vor allem, die Kunst aus der Vereinnahmung durch die philosophische Ästhetik zu befreien (sie ist weder Mimesis noch “Ausdruck von” etwas) und zu fragen, was war Kunst - nicht nur vor der Philosophie im alten Griechenland, sondern auch in anderen Kulturen. Im Achten auf die jeweilige Sprache dieser Werke, auf die architektonischen Regeln künstlerischer Vergegenwärtigung in Musik, Bildbau oder Farbklang, zeigt sich die besondere Geschichtsstruktur der Kunst, die Anlaß gibt, unsere neuzeitlich-europäischen Begriffe von Geschichte und Wirklichkeit zu korrigieren.

Die Aufsätze zum Geschichtsverständnis sollen zeigen: Wird Geschichte als eine Sache der menschlichen Freiheit verstanden, dann ist sie einem mathematischen Gewißheitsanspruch, wie dem der neuzeitlichen Naturwissenschaft, entzogen. Eine Universalisierung des cartesianischen Erkenntnisanspruchs wird dann problematisch, wenn andere Weisen von menschlicher Erfahrung - wie sie in der Dichtung oder in Erzählungen anderer Kulturen Gegenwart gewinnen - als Illusion und Fiktion ins Reich der “Dichtung” und des “Mythos” abgetan werden. Der Fehler liegt in dem geheimen Dogmatismus der mathematischen Erkenntnis. Das Verhältnis zur Dichtung, zum Mythos und zur Vergangenheit überhaupt könnte sich ändern, wenn darin nicht nur Objekte der Wissenschaft gesehen würden, sondern ein eigener Zugang zur Welt.

Robert Kudielka:
Dieter Jähnigs Lebenswerk gilt der Aufdeckung und Erkundung des Spannungsfeldes zwischen Philosophie und Kunst. Ausgehend von einer grundlegenden Interpretation Schellings, hat er in einem konfrontativen Verfahren die Kluft zwischen der metaphysischen Voreingenommenheit des europäischen Kunstbegriffs und der geschichtlichen Wirklichkeit der Kunstphänomene offengelegt. Die Verbindung umfassender Sachkenntnisse auf dem Gebiet der Künste – von der Frühgeschichte bis zur Moderne und weit über die abendländische Tradition hinaus – hat in Verbindung mit der Bereitschaft zur radikalen Selbstbefragung der Philosophie eine Fülle kritischer Einsichten erbracht, die für die Fachwissenschaften befreiend und versachlichend wirken können. Aus der langjährigen Beschäftigung mit Jacob Burckhardt ist eine Analyse der unterschiedlichen Gegenwärtigkeit der Künste in der Zeit hervorgegangen, die als bahnbrechend für das Verständnis ihres „Weltbezugs“ gelten darf. Diese Differenzierung des Werkcharakters berührt nicht nur methodische Fragen der Rezeptionsästhetik, sondern hat Rückwirkungen auf den die historisch-kritischen Wissenschaften leitenden Begriff von Geschichte überhaupt.

 

 

 Ca. 454-404 v. Chr.

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